Irre in der Uckermark

Thomas Wendrich - Eine Rose für Putin   Cover: Berlin VerlagOb der ehrenwerte Johann Wolfgang von Goethe mit seinem Werther, E. T. A. Hoffmann mit dem Kater Murr oder der etwas gegenwärtigere Ingo Schulze mit Neue Leben: Sie ist ihnen allen gemein, die Herausgeberfiktion. So auch dem Debütroman Eine Rose für Putin von dem Berliner Drehbuchautoren Thomas Wendrich.

von NADINE HEMGESBERG

Kann einen dieser staubige, erzählerische Taschenspielertrick mit seinen Blütezeiten um 1800 auch noch im Zeitalter der Post-Postmoderne aus den Retro-Sneakern hauen? Die einfache Antwort lautet: ja! Thomas Wendrich hat einen ideenreichen Roman geschrieben, der von seinen Fertigkeiten als Drehbuchautor profitiert. Eine Rose für Putin ist ein ausgefeiltes Debüt und stach in diesem Frühling aus der Masse von DebütantInnen heraus. Die Herausgeberfiktion ist zwar kein nötiges, aber ein das Erzählerische potenzierendes Gimmick, das einen weiteren Fallboden zwischen Wirklichkeit und Fiktion zieht. Denn darum geht es in diesem Genrekombinat aus Kriminalroman, (Irrenhaus-)Prosa und informativem Bericht: darum, die Wirklichkeit in der Fiktion und die Fiktion in der Wirklichkeit zu vermessen und ineinander zu verschränken. Und noch weiter geht es: um gekidnappte Kinder, um bangende Eltern, um einen ausgedachten Kindsraub (und einen historischen), der seine imaginierten Klauen in die Gegenwart schlägt, einen Regisseur und einen Schreiberling, die sich (oder ist es der Schreiber allein?) alles nur ausgedacht haben? Fallen Schüsse oder sitzt nur einer allein im Scriptorium und Paul Auster lässt grüßen? Diesen Roman muss man lesen!

Thomas Wendrich: Eine Rose für Putin
Berlin Verlag, 320 Seiten
Preis: 19,99 Euro
ISBN: 978-3827012630

Hinterlasse einen Kommentar