Ein Ritterschlag für Bochum

"Monty Python's Spamalot" am Schauspielhaus Bochum Foto: Diana Küster

„Monty Python’s Spamalot“ am Schauspielhaus Bochum Foto: Diana Küster

Viel zu lange stand die Stadt Bochum in ihrer Außenwahrnehmung unter dem Musical-Joch singender und rollschuhlaufender Eisenbahngeschöpfe. Doch nun ist die Zeit reif für eine allmähliche Emanzipation von der Webber’schen Hegemonie: In seiner Inszenierung von Monty Python’s Spamalot enthüllt Regisseur Christian Brey die wahre Broadwaytauglichkeit des Bochumer Schauspielhauses.

von CHRISTOFER SCHMIDT

Deutsche Musicalkultur ist eher bescheiden. So wie die Jahresuhr niemals still steht, wiederholt sich in der hiesigen Theaterlandschaft das immer gleiche Lied: Klassiker wie My Fair Lady, West Side Story oder Kiss me Kate (diese Spielzeit u. a. in Essen, Wuppertal und Dortmund zu sehen), die man gut und gerne – falls vorhanden – mit dem hauseigenen Opernensemble besetzen kann, bilden auf städtischen Bühnen die Norm. Kommerzielle Häuser folgen hingegen treu ihrem eigenen Zyklus: Elisabeth, Phantom der Oper, Tanz der Vampire. Umso erfreulicher, dass das Schauspielhaus Bochum nach Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs erneut aus diesen Mustern ausbricht und sich an die Adaption von Monty Pythons Erfolgsstück Spamalot heranwagt. Die Bühnenversion orientiert sich größtenteils an der Filmvorlage Die Ritter der Kokosnuss, integriert zusätzlich aber auch Sketche und Songs aus der berühmten Flying Circus-Serie oder Filmen wie Das Leben des Brian.

Zugegeben, der Inhalt des Stücks ist nicht unbedingt anspruchsvoller als die infantile Züge-im-Wettstreit-Fantasie, die Starlight Express zugrunde liegt. Doch in seiner ironischen und selbstreferenziellen Grundhaltung macht das 2005 von Eric Idle und John Du Prez an den Broadway gebrachte Musical doppelt so viel Spaß: Von Gott (Harald Schmidts Stimme) auserkoren, den heiligen Gral zu finden, durchstreift König Artus (Matthias Redlhammer) mit seinem kokosnussklappernden Sidekick Patsy (Ronny Miersch) das pestverseuchte mittelalterliche England. Im mutigen Sir Lancelot (Jan Krauter), dem weniger mutigen Sir Robin (Michael Kamp), dem Schönling Sir Galahad (Dennis Herrmann) und dem vermeintlichen Schlaukopf Sir Bedevere (Nils Kreutinger) findet er treuherzige Unterstützer für seine heilige Mission. Die wackere Runde erlebt berauschende Feste auf der Burg von Camelot – „Was in Camelot passiert, bleibt in Camelot“ – und muss knifflige Aufgaben lösen. Wenn es dann doch mal brenzlig wird, eilt die magische Fee aus dem See (Kira Primke) mit ihren bezaubernden Cheerjungfrauen zur Hilfe. Ein Happy End mit Hochzeit darf gattungsbedingt natürlich auch nicht fehlen!

"Monty Python's Spamalot" am Schauspielhaus Bochum Foto: Diana Küster

„Monty Python’s Spamalot“ am Schauspielhaus Bochum Foto: Diana Küster

Überbordendes Kokosnussspektakel

Der erste Akt beginnt etwas verhalten. Das Publikum braucht einen kurzen Moment, um sich an die eigenwillige Musicaldynamik gepaart mit absurdem Python-Humor zu gewöhnen. Spätestens beim ersten gemeinsamen Auftritt von Jan Krauter, Daniel Stock und Michael Kamp beginnt jedoch der erfolgreiche Angriff auf die Lachmuskeln. Als Noch-Nicht-Toter-Fred springt Stock vom Leichenwagen, zappelt über die Bühne und gibt einen schmissigen Song zum Besten, bis Lancelot ihm letztlich den Garaus macht. Glücklicherweise tritt Stock noch in vielen weiteren Rollen in Erscheinung und kann sich besonders als flamboyanter Prinz Herbert in die Herzen des Publikums spielen. Bis auf Kira Primke und Matthias Redlhammer portraitieren alle Darsteller zusätzliche Figuren und lassen anhand der zahlreichen Umzüge und Kostümteile den organisatorischen Aufwand einer solchen Produktion erahnen, für die mehr als ein halbes Jahr geprobt wurde.

Brey hat gut daran getan, für Spamalot nach Verstärkung außerhalb des aktuellen Schauspielhausensembles zu suchen. Für die divenhaft angelegte Rolle der Fee aus dem See ist beispielsweise eine geschulte Sängerin mit beträchtlichem Tonumfang unentbehrlich. Zum Glück hat Kira Primke genau das zu bieten. Mehr noch – ihre Solonummer im zweiten Akt gerät zu einem der absoluten Höhepunkte des Abends, vor allem auch aufgrund ihres komödiantischen Talents. Jan Krauter überzeugt ebenfalls auf ganzer Linie: Großartig spielt er Lancelot, den unerschrockenen Mörder einer ganzen Hochzeitsgesellschaft, der im nächsten Augenblick voller Inbrunst und mit der Wut eines verzweifelten Teenagers sein Coming-Out erlebt. Als geschmeidige Heidelbeere im hautengen Ganzkörperanzug tanzt Krauter galant im Tutti-Frutti-Disco-Ensemble umher, mimt einen spöttischen Franzosen, krächzt als Ritter, der immer nur „Ni“ sagt, herum und fliegt als Zauberer Tim dem goldenen Schnatz hinterher. Nicht minder besticht auch der für diese Produktion zurückgekehrte Ronny Miersch, der mit „Always Look on the Bright Side of Life“ das wohl bekannteste Lied aus dem Hause Monty Python anstimmen darf. Er singt nicht nur gut, sondern verleiht dem sonst eher wortkargen Patsy durch wohl überlegte Mimik eine ordentliche Portion Charme. Michael Kamp und Nils Kreutinger ergänzen die Ritter der Tafelrunde mit ihrer Spielfreude ideal. Nur Matthias Redlhammer wirkt durch sein gedankenverlorenes Spiel und die gesanglichen Ungenauigkeiten manchmal etwas deplatziert.

Mission geglückt

Die dünnbesetzten Musiker unter der Leitung von Tobias Cosler erreichen einen überraschend voluminösen Sound und interagieren sogar zwischenzeitlich mit den Darstellern auf der Bühne. Das detailverliebte Bühnenbild und die Kostüme (Anette Hachmann) runden im Zusammenspiel mit den anspruchsvollen und gut umgesetzten Choreografien (Kati Farkas) den Abend ab: Unter der Regie Christian Breys arbeiten alle Beteiligten einander zu und schaffen so ein harmonisch wirkendes Ganzes. Das ohnehin großmaschig angelegte intertextuelle Gewebe der Show wird in seiner Inszenierung um viel Lokalkolorit und aktuelle Pop-Kultur erweitert. Dem humoristischen Feingefühl Breys entspringen dabei zahlreiche neue Einfälle: Anspielungen auf Harry Potter, Helene Fischer und selbstverständlich auch Herbert Grönemeyer dürfen in diesem theatralen Potpourri nicht fehlen. Besonders die Neuinterpretation des Liedes „You Won’t Suceed on Broadway“, die beim Komödienspezialisten Brey auf die Musicaluntauglichkeit des deutschen Stadttheaters und vor allem auf die Ansprüche des Bochumer Publikums gemünzt ist, wird von den Zuschauern mit schallendem Gelächter und tosendem Applaus belohnt. Es steht wohl doch nicht so schlecht um die deutsche Musicalkultur.

 

Informationen zur Inszenierung
 
Nächste Termine:
Mittwoch, der 16. September
Sonntag, der 20. September
Donnerstag, der 24. September

 

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