Fünf Freunde und ein Todesfall

Frank Schliedermann - Die Trauerfeier Cover: asphalt & anders Verlag

Frank Schliedermann – Die Trauerfeier Cover: asphalt & anders Verlag

Sie treffen sich, weil „einer von ihnen“ tot ist, doch gibt es dieses „sie“ eigentlich noch? Frank Schliedermann seziert in seinem Romandebüt Die Trauerfeier eine alte Freundschaft und philosophiert in luftiger Manie über das Leben und die Wege, die man geht.

von ANNA KREWERTH

Feucht geht es schon zu in diesem Roman, nur eben zunächst nicht allzu fröhlich. Viktor ist tot. Er hat sich mit dem Jagdgewehr seines Vaters in den Kopf geschossen. Paul, Christa, Ronno, Uwe und Isabel treffen sich auf seiner Trauerfeier. Am Anfang geht es um Viktor, Gründe für seinen Entschluss, Ungereimtheiten. Sehr schnell geht es um sie selbst und darum, was aus ihrer Freundschaft geworden ist. Was geblieben ist und was bleiben wird.

Versteht ihr plötzlich keinen Spaß mehr?

Der Titel von Schliedermanns Romanerstling erinnert ein wenig an Vinterbergs Das Fest (1998). Und tatsächlich bricht auch hier einiges über die Protagonisten herein: Ihre Begegnung beginnt unaufgeregt und steigert sich zunehmend. Geheimnisse werden gelüftet – hinter der bröckelnden Fassade treten unterdrückte Emotionen und verschwiegene Taten hervor. Da ist Isabel, die eigentlich längst mit den anderen gebrochen hat, Erinnerungen an die „gute alte Zeit“ verabscheut und am liebsten nicht gekommen wäre. Ronno, der durch unerlässliches Reden die Stimmung zu kitten versucht, und Uwe, der wünscht, alles wäre wie früher. Schließlich noch Paul und Christa, die als Paar eine starke Einheit zu bilden scheinen und doch ganz plötzlich alles neu verhandeln müssen.

Behutsam und mit schelmisch-voyeuristischer Freude fängt Schliedermann die entlarvenden und oftmals sinnlosen Handlungen menschlichen Lebens ein: In „kollektiver Routine“ werden Satzfolgen gebildet, die ein sich endlos wiederholendes Gespräch bilden, „Augenblicke der Klarheit“ sind „stets von einem unweigerlichen Brechreiz gefolgt“ und am Ende wird dennoch gelächelt: „Ein dünnes, angespanntes Lächeln, aber zugleich auf unbekümmerte Weise friedfertig“.

Seine metaphernreiche Flapsigkeit wird dem Autor jedoch auch zum Verhängnis. Ein exorbitanter Gebrauch von Vergleichen lässt den flüssig-treffsicheren Stil seiner Beobachtungen mitunter ins Stocken geraten: Zweifel werden wie „ein Spritzer Mayonnaise auf einer Plastikdecke“ weggewischt, der Wirt greift nach einem Glas, „als nehme er einer verwundeten Löwenmutter ihr Junges“, eine Frage „reißt Isabell aus ihren Gedanken wie ein Feueralarm aus der Betrachtung eines Hieronymus Bosch“ und „Tränen sammeln sich unter ihren Liedern wie Regenwasser unter einer undichten Persenning“ – das ist dann doch zu viel der Bildgewalt.

Macht doch alle, was ihr wollt!

Fesselnd ist der Roman nichtsdestotrotz. Seine Handlung, die sich fast ausschließlich in der Gaststube des Lokals entspinnt, verleiht ihm Kammerspiel-Charakter. Schlagfertige Dialoge und immer neue Wendungen erhalten die Spannung, ohne konstruiert zu wirken. Nicht nur Schliedermanns Talent, psychologische Feinheiten auf schlichte und kluge Art zu beleuchten und zuzuspitzen, trägt dazu bei. Die fließend wechselnden Perspektiven und der nahtlose Übergang zwischen Schankstuben-Gegenwart und Erinnerungssequenzen verleihen dem Roman eine einnehmende Dynamik:

„In ihrem Kopf reiht sich eine wahllose Bilderfolge aneinander: Pauls konzentrierter Gesichtsausdruck, wenn er sich ein Kondom über den Penis stülpt. Ihre Hochzeitstorte, ein Muttermal in Pauls Nacken, auf das sie morgens oft ihre Lippen presst, wenn die Stelle noch warm ist und vom darüberliegenden Haar duftet. […] Was hat er vorhin gesagt? Das Leben, das sie zur Hälfte gemeinsam verbracht haben. All die glücklichen Jahre. All das hat auch Paul einfach so wegwerfen wollen? […] ‚Paul?‘ Er nickt stumm und stiert dabei hinunter in die rot-braun schimmernde Lache Erbrochenes, als spiegle sich darin das Konterfei eines Mannes, der imstande wäre, Christa anzubrüllen, sie wegzustoßen und ihr mit der Rückseite seiner Hand ins Gesicht zu schlagen. Paul schließt die Augen, horcht tief in sich hinein und stöhnt, in der sicheren Erwartung eines weiteren Schwalls Kotze.“

Aber dann kommst du zurück?

Schliedermann geht hart mit seinen Figuren ins Gericht, er beschönigt ihre Schwächen und Fehltritte nicht und weckt gerade dadurch die Sympathie des Lesers. In aller Strenge um dieses schleichende Versiegen der Verbundenheit, das anbahnende Ende einer Freundschaft liegt schließlich doch viel Versöhnlichkeit. Die Geschichte, die er erzählt, wird hierdurch nicht unbedingt realistischer, aber sie geht nahe. Ähnlich wie sein zwei Jahre jüngerer Schriftstellerkollege Tilman Rammstedt versteht sich Schliedermann darauf, charmant und leichtfüßig Lebensernst und -komik zu vereinen und den Leser mit einem Gefühl von „letztlich wird doch alles gut – irgendwie“ zu entlassen. Diese Eigenschaft sollte man nicht unterschätzen.

 

Am 6. Oktober 2016 liest Frank Schliedermann im Rahmen seiner Lesereise in der BASTION in Bochum.
 
Frank Schliedermann: Die Trauerfeier
asphalt & anders Verlag, 221 Seiten
Preis: 18,90 €
ISBN: 978-3-941639-11-9

 

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