Vom Schöpfer des Monsters zum Beschützer der Haie

Peter Benchley (Porträt Alex Gotfryd auf der Buchrückseite von Jaws, 1974)

Jeder kennt dieses ungute Gefühl im offenen Meer, wenn man nicht weiß, was sich unter einem befindet. Mit dieser menschlichen Urangst schuf Peter Benchley in seinem Werk eine neue Tiefe, die noch heute nachklingt. Jaws und mit ihm der weiße Hai, der zu dem Filmmonster schlechthin werden sollte, werden dieses Jahr 50 Jahre alt.  Anlässlich seines 84. Geburtstags blicken wir auf einen ambivalenten Mann zurück, der einer ganzen Generation mit dem weißen Hai eine nie dagewesene Angst bescherte und gleichzeitig neues Verständnis für eben dieses Lebewesen schenkte.

von LEAH KORBAS

Peter Bradford Benchley wurde am 8. Mai 1940 in New York City in eine Schriftstellerfamilie hineingeboren, sodass er schon früh von literarischen und künstlerischen Einflüssen umgeben war. So war neben seinem bekannten Autoren-Vater Nathaniel Benchley schon sein Großvater Robert Benchley Kolumnist und Schauspieler. Bereits mit der komödiantischen Film-Adaption The Russians Are Coming, The Russians Are Coming des gleichnamigen Romans  seines Vaters wurde das literarische Erbe der Benchley-Familie gesichert – und die Verbindung von Literatur und Film kam erstmals zum Ausdruck. 

Es ist nicht verwunderlich, dass Benchleys literarisches Talent und seine Leidenschaft zum Schreiben während seines Harvard-Studiums, das er 1961 abschloss, von seinem Vater entdeckt und gefördert wurde. Er begann seine Karriere schließlich mit einer sechsmonatigen Tätigkeit bei The Washington Post und verdiente sich von 1964 bis 1967 als Redakteur bei Newsweek etwas Geld dazu. 1969 fing Benchley als freiberuflicher Autor und Reporter in New Jersey neu an und bezog seine Themen aus unterschiedlichsten Quellen, um sich finanziell über Wasser zu halten. Die angeeigneten journalistischen Fähigkeiten, die Kontakte, die sich Benchley in dieser Zeit aufbaute, und die Recherchen, mit denen er sich selbstständig beschäftigte, liefen zu einem Netzwerk zusammen, das sich als maßgebend für seinen späteren Erfolg herausstellen sollte.

You’re gonna need a bigger boat.

Ein Bild aus seiner Jugend ließ Peter Benchley nie los: Die Rückenflosse eines Hais, die das Wasser durchschnitt; etwas, dass er auf einem Angeltrip vor Nantucket selbst erlebt hatte. Zusammen mit der Geschichte vom Fang eines kolossalen weißen Hais vor Long Island, die Benchley in den 1960ern hörte, entwuchs eine Romanidee, die in seinen Gedanken mehr und mehr Gestalt annahm und ihren Höhepunkt 1971 fand. Über kalte Wintertage in New Jersey und laue Sommernächte in Connecticut hinweg schrieb er, bis 1974 sein Romandebüt Jaws erschien. Die Geschichte über einen einzelnen weißen Hai, der die friedliche Küstenidylle eines Urlaubsortes bedroht, wurde schnell zum Bestseller, hatte großen Erfolg und fand Einzug in Buchclubs. Doch, ähnlich wie bei seinem Vater, wurde Jaws erst durch seine Verfilmung von Steven Spielberg auf einen nie dagewesenen Höhepunkt versetzt.

Noch vor seiner endgültigen Veröffentlichung erregte Benchley mit seinem Manuskript die Aufmerksamkeit zweier Filmproduzenten. Die dann 1975 veröffentlichte Verfilmung von Jaws setzte einen Meilenstein der Filmgeschichte. Benchleys Roman und gerade der dazugehörige Film, bei dem er selbst am Drehbuch mitarbeitete, wurden zu einem Kult, der seinesgleichen suchte. Er schuf mit dem (weißen) Hai ein Filmmonster, das gerade deshalb so gut funktionierte, weil es kein fremdes außerirdisches oder übernatürliches Wesen war, sondern genauso in der Natur vorkam und rief in Erinnerung, dass das Ausgeliefertsein des Menschen gegenüber der unberechenbaren Natur des Ozeans auch in modernen Zeiten noch gegeben ist. Als Erschaffer des Tierhorror-Genres folgten dem Leitbild des Autors zahlreiche Nachahmer, die versuchten, auf seiner Erfolgswelle mitzuschwimmen. Dies bricht sich bis heute in mal mehr oder weniger ernst gemeinten Filmen Bahn, die sich immer weiter von der noch realistischen Darstellungsweise Benchleys entfernen: Lebende Urzeithaie, Tornado-Haie oder Haie im Supermarkt.

Der Schatten des Erfolgs: Der Hai als Sündenbock

Den Preis für Benchleys unsagbaren Erfolg mussten jedoch echte Lebewesen bezahlen: Die Haie. Als Spezies, nicht als fiktive Horrormonster. Peter Benchley schürte mit seiner Geschichte von dem übermächtigen, schier niemals satt werdenden, übergroßen Hai die Angst der Menschen vor dem Wasser. Und Angst führt zu unvorhersehbarem Handeln. Den Menschenfresser-Stempel, den Benchley seinem Hauptakteur aufdrückte, ist er selbst heute noch immer nicht vollständig los, sodass das Töten von Haien aller Arten nach dem Roman und dem Film auch jetzt noch andauert. Das Töten, das dazu dienen sollte, dass sich die Menschen im Wasser wieder sicher fühlten. Etwas, das Benchley dazu brachte, das Schreiben seines Textes zu bereuen: „I couldn’t possibly write Jaws today.“

Faszination Meer

Der Erfolg öffnete Peter Benchley den Zugang zu einer für ihn neuen Welt und brachte ihm Begeisterung für neue meeresthematische Fiktionsromane. So erschienen sein Schiffsbruchroman The Deep 1976 und ein Piratenroman namens The Island 1979. Werke, in denen er sich später wieder einem Meeresmonster näherte, sind das 1991 erschienene Beast über einen riesigen Tintenfisch und das 1994 veröffentlichte White Shark über einen Mensch-Hai-Hybriden. All diese Romane wurden ebenso wie Jaws verfilmt.

Obwohl Benchley seinen Ruhm genoss, wollte er den Schaden, den er durch seinen Roman an den Haien verursacht hatte, wieder gut machen. Dazu passte, dass er durch seine Arbeit mit Unterwasserfilmemachern und führenden Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Ozeanographie in Kontakt geriet, mit deren Hilfe er sich eigenes Fachwissen aneignete und das bereits Vorhandene, was ihm von seiner Recherche bekannt war, vertiefte. Dies führte dazu, dass er der Faszination des Meeres vollkommen erlag und nun erst recht zeigen wollte, dass das menschliche (Über-)Leben vom Bewahren der Ozeane und ihrer Bewohner, vor allem der Haie als Spitze der Nahrungskette, abhängig war. Sein Fokus verschob sich mehr und mehr hin zu nicht-fiktionalen Veröffentlichungen. Besonders zu erwähnen ist hierbei der 2000 erschienene National Geographic-Artikel Great White Shark: Truth Behind the Legend – ein Ergebnis der langjährigen Zusammenarbeit Benchleys mit dem Unterwasserfotografen David Doubilet, die gemeinsam noch weitere Artikel, Filme und andere Projekte schufen. Seine aus dieser abenteuerlichen Forschungszeit stammenden echten Haibegegnungen verarbeite er 2002 in Shark Trouble und im speziell auf Kinder und Jugendliche ausgerichteten Shark Life (2005). Sein Bemühen um den Schutz und das Verständnis der Ozeane zeigte sich ebenfalls in filmischen Bearbeitungen. Mit Dr. Gregory Stone vom New England Aquarium tangierte er in Kurzdokumentationen, die in Aquarien und Museen weltweit zu sehen waren, kritische Themen wie bedrohte Arten, globale Erderwärmung und Beifang, dem auch oft Haie zum Opfer fallen.

Seine Mission, Haie und das Leben im Meer nachhaltig zu schützen, prägte seine Leidenschaft in seinen letzten Lebensjahren. Er hielt Reden, unterstützte Freiwilligenorganisationen und wurde schließlich Teil der Gründung des Bermuda Underwater Exploration Institute, das Besuchern eine (geistige) Reise in die Welt der Meere ermöglicht. Bis zum Schluss nutzte er seinen bekannten Namen und die Plattform, die ihm Jaws gegeben hatte, um eben diesem Hauptakteur seines Erfolgs, dem Hai sowie weiteren Meereslebewesen Schutz zu Teil werden zu lassen und das empfindliche Gleichgewicht unserer Ökosysteme zu erhalten, das zahlreichen Bedrohungen ausgesetzt ist.

Peter Benchley starb am 12. Februar 2006 in New Jersey mit 65 Jahren, doch sein Schaffen und sein Vermächtnis leben bis heute in der Aufklärung über Haie weiter.

“No, the shark in an updated JAWS could not be the villain; it would have to be written as the victim, for, worldwide, sharks are much more the oppressed than the oppressors.“

~ Peter Benchley

Peter Benchley: Der weiße Hai. Übersetzt aus dem Englischen von Egon Strohm (im Original: Jaws).

Milena, 330 Seiten

Preis: 25,00 Euro

ISBN 978-3-903460-16-4

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