Jüdische Figurendarstellungen in der Literatur sind mindestens so reichhaltig wie die jüdische Geschichte selbst. Deshalb können wir uns in unserer heutigen Folge nur auf einen sehr kleinen Ausschnitt konzentrieren: Drei Figuren berichten uns von ihrem Schicksal. Ihr Leben verfolgen wir über den Verlauf von drei Texten. Für die heutige Folge haben wir uns einen besonderen Twist ausgedacht: Im Sinne der durch uns ausgewählten Texte lassen wir die Figuren für sich selbst sprechen. Eine jede Figur hält einen Monolog über ihr eigenes Schicksal, gepaart mit einem Auszug aus dem eigentlichen Text. In der heutigen Folge besprechen wir von William Shakespeare Der Kaufmann von Venedig, von Philip Roth Operation Shylock: A Confession, von Elmar Goerden Lessings Traum von Nathan dem Weisen sowie von Lion Feuchtwanger Die Jüdin von Toledo.
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Ein Schatz aus der Schublade
Großartige literarische Neuheiten müssen nicht immer neu sein: Mit Requiem von Karl Alfred Loeser ist eine der spannendsten Neuerscheinungen der Frühjahrssaison ein Roman, der schon vor vielen Jahrzehnten verfasst wurde – und dann als unveröffentlichtes Manuskript geschlummert hat. Glücklicherweise hat es dieser grandiose Roman über die frühe NS-Zeit nun in die Öffentlichkeit geschafft. Ein sowohl sprachlich als auch erzählerisch gelungenes Werk!
von CAROLIN KAISER
Letzte Landung in der Hohlwelt
Welchem Büchner-Preisträger ließe es man wohl durchgehen, einen so ganz unironischen Roman über einen selbstgerechten Fanatiker zu schreiben? Nun… Aber wer könnte es so behutsam und literarisch einwandfrei umsetzen wie Clemens J. Setz in seinem neuen Buch? Weniger verspielt als seine anderen Werke, ist Monde vor der Landung trotz einigen Zweifeln ein großartiger Roman. Denn die Geschichte des historischen Hohlwelt-Theoretikers Peter Bender nimmt die Leser*innen sofort mit und bietet ein Einfühlungsvermögen, das bei einem solchen Protagonisten ein kleines Wunder ist.
von FELIX JUETERBOCK
Antisemitismus ist nicht Schnee von gestern!
Antisemitismus verbinden die meisten von uns, die nicht dem Judentum angehören, hauptsächlich mit dem Schulunterricht und der deutschen Geschichte. Umso erstaunter sind wir dann, wenn wir von Gewalttaten hören, wie dem Anschlag auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019. Dass Antisemitismus für viele Juden zum Alltag gehört und nicht erst mit Blutvergießen beginnt, verdeutlicht Levi Israel Ufferfilge in seinem Buch Nicht ohne meine Kippa. Mein Alltag in Deutschland zwischen Klischees und Antisemitismus.
von SHARLEEN WOLTERS
Shylock, Ikone des Antisemitismus
„Ein Pfund Fleisch“: Diese Forderung ist der grausame Ruf nach Gerechtigkeit eines Menschen, dem übel mitgespielt wird. Die Figur Shylock erblickte um 1600 im Kaufmann von Venedig das Licht der Shakespeare’schen Bühnenwelt und steht bis heute wie keine zweite für das Schicksal der jüdischen Bevölkerung. Was uns Shylock noch heute zu erzählen hat, davon zeugt das heutige Porträt.
von THOMAS STÖCK
Glauben nach der Katastrophe?
Der Shoah sind in Europa über sechs Millionen Juden zum Opfer gefallen, beinahe wäre das jüdische Volk vollkommen vernichtet worden. Wie kann man angesichts einer solchen Katastrophe noch an Gott glauben? Margarete Susman stellt sich in ihrem 1946 erschienenen Essay Das Buch Hiob und das Schicksal des jüdischen Volkes diese Frage und erzählt uns von ebendiesem Schicksal. Doch findet Susman auch in der Jubiläumsausgabe zu ihrem 150. Geburtstag lediglich Antworten, die nicht zu überzeugen vermögen.
von THOMAS STÖCK
Als böse Wetter die Moderne brachten
In Timo Feldhaus’ Mary Shelleys Zimmer treffen die literarischen und politischen Granden der 1810er Jahre in einem erstaunlich modernen Ambiente aufeinander. Eine wahrhaftige Klimakrise bricht aus – im doppelten Sinne, denn ursächlich für das „Jahr ohne Sommer“ (1816) ist der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora ein Jahr zuvor. Vielen Menschen bringt dieses Ereignis Hunger und Leid, Mary Shelley ebnet es den Weg zu ihrem literarischen Kind: Frankensteins Monster. Ein auffallend zeitgenössischer Roman entspinnt sich in diesem historischen Panorama.
von THOMAS STÖCK
Als das Ende nahe ist
Am 5. Februar 1947 – also vor 75 Jahren – starb Hans Fallada. In wenigen Wochen vor seinem Tod verfasste Fallada das Manuskript seines letzten Romans Jeder stirbt für sich allein. 60 Jahre nach der Erstveröffentlichung gelangte dieser Roman durch eine Neuveröffentlichung zu Weltruhm. In seinem Zentrum stehen die Quangels, ein älteres Ehepaar, das sich nach dem Verlust ihres einzigen Sohnes dazu entscheidet, sich dem Hitlerregime entgegenzustellen. Es entspinnt sich eine Geschichte des Widerstands, des Duckmäusertums, des Verrats – und die Spirale der Gewalt, sie dreht sich mit immer höherer Geschwindigkeit.
von THOMAS STÖCK
Der falsche Weg führt aus dem Chaos
Es hat einfach nicht gepasst: In Regina Scheers Roman Gott wohnt im Wedding unternimmt die Autorin den anspruchsvollen Versuch, die Parallelen zwischen Antisemitismus und Antiziganismus erzählerisch nachzuzeichnen. Ein Haus als neutraler Beobachter, der Student aus der Romanmaschine und weitere merkwürdige Begebenheiten verhindern jedoch, dass die grundsätzlich ansprechenden Erzählfäden auch eine gelungene Geschichte ergeben.
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Sechs Kosmopoliten suchen einen Mörder
Sechs Koffer ist wahrlich alles andere als Unterhaltungslektüre. Das Vermächtnis des Großvaters Schmihl und die Widerfahrnisse der Familie Biller auf dem Weg aus Prag in den Westen zeichnen das Porträt einer nicht gerade sympathischen Familie, die den teils lebensbedrohlichen Schikanen des Kommunismus zu entrinnen sucht. Mit seinem direkten – man ist dazu verleitet zu sagen: beinahe ordinären – Sprachstil bewegt sich Maxim Biller irgendwo zwischen Krimi, Agententhriller und Familientragödie.
von THOMAS STÖCK Weiterlesen